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Klassenspiel 11. Klasse 19.-21.07.2018

Die Liebe ist ein Kobold

Die 11. Klasse der Waldorfschule Markgräferland Müllheim spielte „Verlorene Liebesmüh“ von William Shakespeare

„Die Lust hemmt unseren edlen Geist,“ stellt der König des Landes Navarra fest und beschließt zusammen mit drei Gefährten für drei Jahre den „Kampf gegen die weltlichen Triebe“ aufzunehmen: Zu fasten, Philosophie und Wissenschaften zu studieren und vor allem, das ist das Wichtigste!, auf jeglichen Kontakt mit Frauen zu verzichten. Trotz leiser und lauter Zweifel unterzeichnen letztendlich alle vier mit Vehemenz den Vertrag. Kaum ist dieser bestätigt, kommt die Versuchung in Gestalt der schönen Prinzessin von Frankreich mit ihren drei entzückenden Hofdamen zu einem wichtigen diplomatischen Besuch. Die Politik gerät schnell in den Hintergrund: Der König verliebt sich in die Prinzessin und seine Freunde verfallen deren Freundinnen – doch jeder versucht, seine Verliebtheit vor den Anderen zu verbergen um nicht als vertragsbrüchig dazustehen. Auch die Damen sind empfänglich für die Annäherungen der Männer, flirten gerne mit ihnen und verlieben sich ebenfalls. Das Verwirrspiel nimmt nun seinen Lauf – Briefe werden verwechselt, Damen unter Masken ebenso. Shakespeare versteht es in diese Geschichte Weisheit und Schabernak einfließen zu lassen, Tiefgründiges und Witziges wechseln sich in Windeseile ab. Die große Spielfreude der Schülerinnen und Schüler zeigte sich auf das Schönste: Differenziert wurden die Figuren des Stückes verkörpert, die gesellschaftlichen Unterschiede durch Verhaltens- und Sprechweisen charakterisiert, die Gefühlswelten mit Freude ausgelotet und mit viel Witz und offener Direktheit gezeigt. Es wurde gelitten und gelacht, gestritten, gespottet und geschmachtet – die grenzenlose Sehnsucht nach der Liebe in allen Facetten wurde vorgestellt. Mit Freude an Wort- und Sprachwitz, an Slapstick und an schlagfertigen Dialogen begaben sich die Akteure in die Welt Shakespeares und die der Liebe. Sie entwickelten ein präsentes Zusammenspiel, mit dem sie die Zuschauer genüsslich in Situationskomik einerseits und die inneren Nöte der Verliebten andererseits mitnahmen. Alle Beteiligten fanden eine Figur, mit der sie sich entfalten konnten. Passend unterstützten die Kostüme, die von einer Gruppe Schülerinnen phantasievoll und sorgfältig ausgesucht worden waren, die einzelnen Rollen und auch das Bühnenbild bot vielfältige Möglichkeiten die Spielsituation umzusetzen: Eine Landschaft aus Podesten, links stapelten sich schwarze Quader in die Höhe, rechts gegenüber mit roten Blumen berankte grüne Podeste. In der Mitte öffnete sich im Hintergrund ein Theatervorhang, der an das Shakespeare’sche Globe-Theatre erinnerte. Durch dieses Bühnenelement blieb die Welt des Theaters immer offen sichtbar. Die Podeste wurden zur Showtreppe, zum Versteck, zum Sitzmöbel oder zur Liege, zum Hügel, zum Garten, zur Tribüne, zum Innen- und zum Außenraum. Zusammen mit Regisseur Jens Grühn, der die Geschichte mit einer gelungenen Textfassung verdichtet hatte, fügte die Klasse dem quirligen Schauspiel eine weitere lebendige Ebene hinzu: Mit swingenden Liedern von Cole Porter und George Gershwin über Elvis und die Beatles bis zum RAP wurde die Liebe besungen, beschworen und gepriesen. Hier zeigte die Klasse ihre Musikalität: Gemeinsam traten alle als Chor auf, es entstanden Traumsequenzen, die an Musicals und fröhliche Partys erinnerten. Annika Kirschke unterstützte die Erarbeitung der Musik. Eine großartige (Big-)Band, zusammengesetzt aus MusikerInnen aus der eigenen Klasse!, brachte mit Trompeten, Saxophon, Posaune, Klavier, Bass und Schlagzeug den Saal zum Vibrieren und das Publikum zum Mitwippen, Gesangs-Soli einzelner Schülerinnen bezauberten die Zuschauer. Bevor es zum Finale mit Cole Porters „Schlag nach bei Shakespeare“ kam, wurden die Verwechslungen aufgeklärt und entwirrt und die Liebespaare fanden sich: „Wir alle lieben ja und sind von Sinnen!“. Doch das Happyend war anders als erwartet. Die Frauen stellten nun eindeutige Bedingungen: Zwölf Monate müssen die Männer, die bereit waren Enthaltsamkeit zu schwören und ebenso schnell Gründe fanden den „Eid zu vernichten“, nun warten und so wirklich Treue beweisen, bevor sie das Ja-Wort ihrer Angebeteten bekommen. Mit diesem offenen Schluss thematisiert Shakespeare die Sehnsucht nach tiefer Liebe und echter Zuwendung. Liebevolle Details, animiertes Zusammenspiel, Freude am Miteinander Musizieren und die lebendige Umsetzung der Verwechslungskomödie - das gemeinsame Engagement der Klasse für ihre Theaterzeit zog sich durch den gesamten Abend. Die Zuschauer bedankten sich mit langem beschwingtem Applaus für diese tiefsinnige fröhliche Aufführung.

Dorothea Koelbing